Hallo meine Lieben,
in letzter Zeit ist es hier doch wieder etwas ruhiger geworden.
Das lag einfacher daran, dass ich nach meiner Knie- OP Zeit gebraucht habe um wieder auf die Beine zu kommen und dadurch mehrmals die Woche Physiotherapie hatte. Hinzu kommt, dass ich in 2 Wochen Abschlussprüfungen habe und damit natürlich den Kopf voller anderer Dinge habe.
Trotzdem finde ich, dass es mal wieder Zeit für einen Post wird.
Dieser Eintrag behandelt ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, da es um die Erfahrungen als Austauschschüler geht.
Wie der ein oder andere Leser mitbekommen hat, habe ich das Schuljahr 2010/11 in Paraguay verbracht (Ausführliche Berichte findet ihr hier)
Mit 14, 15, 16 oder 17 Jahren sich zu entscheiden für eine gewisse Zeit ins Ausland zu gehen und dort zu leben verdient meiner Meinung nach großen Respekt. Nicht alle Jugendlichen in diesem Alter sind für diesen Schritt bereit. Das habe ich auch im Nachhinein gemerkt, als ich nachfolgende Jahrgänge ausgewählt und vorbereitet habe.
Man ist das erste Mal komplett auf sich alleine gestellt; Mama und Papa sind hunderte von Kilometern entfernt und können mal eben nicht kommen um zu trösten oder bei Problemen helfen.
Natürlich wird man unterstützt von der Austauschorganisation, der Gastfamilie und den neuen Freunden im Gastland- aber manchmal will man nur seine eigenen Eltern.
Am Anfang steht bei Vielen der Kulturschock. Das Gastland ist anders. Die sprichwörtlichen Uhren ticken anders.
In Paraguay hatte ich am Anfang sehr starke Probleme mit der Schere zwischen Arm und Reich (Paraguay ist das zweitärmste Land in Südamerika), aber auch mit der Mann-/Fraurolle in der Gesellschaft und der (nicht vorhandenen) Pünktlichkeit. Mir fehlte auch oft die Distanz zwischen den Menschen oder so etwas wie Privatssphäre.
Wie viele andere hatte auch ich Heimweh. Bei jedem zeigt sich Heimweh anders; bei mir waren es Phasen in denen ich total traurig war und nachts auch die ein oder andere Träne gerollt ist. Am liebsten wäre ich an diesen Tagen morgens im Bett geblieben und hätte auch am liebsten mit niemanden geredet.
Aber das Beste gegen Heimweh ist aufzustehen und raus zu gehen. Sich einfach ablenken.
Mir hat meine Gastfamilie immer unglaublich Leid getan wenn es mir schlecht ging. Sie haben sich wirklich bemüht und wir haben uns auch ohne Worte verstanden. Daher haben sie auch immer mitbekommen, wenn ich Heimweh hatte - egal wie sehr ich versucht habe es zu verstecken.
Besonders schlimm war das Heimweh dann Weihnachten. In Deutschland lag Schnee und in Paraguay dagegen strahlte die Sonne, es war drückend heiß und bei 35Grad im Schatten kommt wahrlich keine Weihnachtsstimmung auf.
Aber: dieses Weihnachtstief hatten viele andere mit mir, nicht nur in Paraguay. Also vollkommen normal. Weihnachten ist einfach das Fest, das man mit der Familie feiert.
Es gibt auch auch viele sehr, sehr schöne Erlebnisse. Das können Geburtstage sein, auf denen man eingeladen ist, Abende an denen man mit der Gastfamilie zusammensitzt, einfach das normale Leben.
Bei mir war so, dass ich mit recht bescheidenen Spanischkenntnissen nach Paraguay gereist bin. Mein Spanisch reichte am Anfang nicht mal fürs Nötigste aus. Aber mit der Zeit lernt man die Sprache des Gastlandes mehr oder weniger fließend. Je mehr Spanisch ich konnte, desto mehr gute Tage hatte ich, weil ich mich besser integrieren konnte und alles verstanden habe.
Man sagt auch, dass die zweite Hälfte des Aufenthaltes die bessere ist. Man ist angekommen, hat seinen Rhythmus gefunden, kennt Land& Leute. Dies kann ich zu 100% unterschreiben.
Um so schwerer fällt einem dann der Abschied. Ich hätte mich damals am liebsten festgekettet und wäre gerne in Paraguay geblieben.
Paraguay ist ein fester Teil in meinem Herzen und ich vermisse es jeden Tag.
Interessanterweise erleben viele zurück im Heimatland einen "Reverse- Cultureshock". So auch ich.
Ich habe ein gutes halbes Jahr gebraucht, bis ich mich wieder "eingelebt" hatte. Dabei bin ich doch in Deutschland geboren und aufgewachsen.
In meiner Zeit in Paraguay hatte ich allerdings so viele Verhaltensweisen von dort aufgenommen, dass es mir am Anfang schwer fiel mich wieder an das deutsche Tempo zu gewöhnen. Hinzu kam, dass ich mich verändert hatte aber Deutschland diese Veränderung am Anfang nicht mit gemacht hatte. Meine damaligen Freunde waren noch die gleichen Menschen wie vor meiner Abreise und deswegen gingen leider viele Freundschaften in die Brüche.
Im Austauschjahr zeigen sich wer die wahren Freunde sind. Meine beste Freundin ist immer noch die gleiche wie vor Paraguay, sie hatte akzeptiert dass ich mich verändert hatte.
Auch meine Eltern hatten es am Anfang nicht besonders leicht mit mir. Ich habe ständig von Paraguay geredet und wie toll es dort war und was ich dort alles erleben durfte.
Nur interessiert es nach einer gewissen Zeit keinen mehr, was man alles erlebt hat.
Auch Pünktlichkeit oder auch die Lautstärke meiner Stimme waren am Anfang ein Thema. Ich war einfach noch voll im Paraguay- Modus.
Rückblickend kann ich sagen, dass Paraguay eine der spannendsten und intensivsten Zeiten in meinem bisherigen Leben war.
Ich bin innerlich unheimlich gewachsen, besonders in den schweren Zeiten. Aber niemand hatte je behauptet, dass ein Austauschjahr nur aus guten Tagen besteht. Ein Austauschjahr ist auch nur ein normales Leben in einem anderen Land. In Deutschland habe ich auch nicht nur gute Tage.
Ich habe gelernt wer ich wirklich bin und was alles in mir steckt. So kitschig es klingt: Ich habe dort mich selbst gefunden.
Ich habe meine Heimat schätzen gelernt und bin sehr froh in Deutschland aufgewachsen zu sein, in Deutschland leben zu dürfen. Einem Land in dem ein hoher Bildungsgrad und gute medizinische Versorgung selbstverständlich sind.
Ich habe schätzen gelernt, was meine Eltern alles für mich getan haben.
So eine Erfahrung kann ich Jedem empfehlen, es bildet nicht nur unglaublich, es formt und bringt weiter. Ohne Paraguay wäre ich nicht die selbe Person, die ich heute bin.
Somit möchte ich mit einem Zitat von Che Guevara abschließen:
" yo, no soy yo; por lo menos no soy el mismo yo interior. Este vagar sin rumbo por nuestra mayuscula america me ha cambiado más de lo que creí" (zu deutsch: ich, bin nicht mehr ich. Zumindest nicht mehr im Inneren. Dieses ziellose umherstreifen durch unseres "Großamerika" hat mich stärker veränder, als ich annahm"
Soll ich eigentlich mal einen Post über Paraguay (allgemein, Land/ Leute, Skuriles) machen?
P.S. nach meinen Prüfungen gehts nach Taiwan und da habe ich ganz viel geplant!
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