Freitag, 1. Januar 2016

Warschau 2015-16

Zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Westen und Osten.

Wenn ich ehrlich bin, war Warschau nicht die erste Wahl für Silvester. Ursprünglich wollten wir in Brüssel Silvester verbringen, aber nach den Ereignissen am 13. November in Paris haben wir entschieden umzuplanen. Brüssel erschien uns nicht mehr sicher und wenn alles gesperrt ist, macht so eine Städtereise auch keinen Spaß.
Warum Warschau? Wenn man sich Mitte November entscheidet eine Reise zu buchen muss man eben nehmen was man kriegen kann. Und da war auch noch diese große Neugier. Polen ist so nah und irgendwie doch so anders.

Vielleicht sollte ich meine Wohnung nicht mehr verlassen, denn auch in Warschau gab es wieder Chaos bei mir. Und das direkt bei der Einreise.
Einreisen in andere EU- Länder sind eigentlich problemlos. Aber ich wäre nicht ich, würde ich nicht irgendwie mal falsch abbiegen. Natürlich direkt am Flughafen beim Zollausgang.
Rot heißt ja eigentlich, dass ich was anmelden möchte. Grün steht für alles ok. So weit so einfach. Am Warschauer Flughafen bin ich einfach vom Kofferband durch eine Tür spaziert, ohne zu schauen wo ich denn gerade hinlaufe. Mein Freund meinte noch so "wo willst du denn hin?". Ich laufe unbeirrt weiter. Mitten in einen Raum mit Zöllnern und diesen Geräten, die das Gepäck durchleuchten.
Der Zöllner fragt mich zweimal, was ich denn anzumelden hätte, bis ich bemerke wo ich gerade bin. Mein Freund stand an der Tür und grinst schon so doof. Na wunderbar, keine 30 Minuten in Polen und schon direkt ein Missgeschick für meine bunte Geschichtensammlung rund um die Welt.
Nein, ich hatte nichts anzumelden und verlasse total irritiert den Raum wieder.
Bevor jetzt Fragen aufkommen: Ich bin einfach so. Ich mache das nicht, nur um was Daheim erzählen zu können, ich bin auch nicht blind oder geistig verwirrt. Und leider denke ich mir das auch nicht aus. Ich bin einfach nur teilweiße sehr verpeilt.

Lichterstadt Warschau

Über die Weihnachtszeit wird Warschau mit vielen Lichtern geschmückt. Sobald es dunkel wird, wird die sonst so graue Stadt in ein ganzes anderes Licht getaucht.







Der Kulturpalast
Der Kulturpalast unweit des Warschauers Haupbahnhofes, mitten im Zentrum, ist wohl DAS Wahrzeichen Warschaus.
Mit etwas mehr als 230 Metern ist er das höchste Gebäude Warschaus und von fast überall sichtbar. Sollte man sich also in Warschau verlaufen, einfach merken wie der Kulturpalast aussieht. Fast alle Straßen führen irgendwie zum Kulturpalast und von dort kommt man wieder überall hin.
Der Kulturpalast wurde in den 50er Jahren gebaut, als Warschau die Wahl zwischen einer U- Bahn (im Moskauer Stil) und dem Kulturpalast hatte.
Vorausschauend wurde sich für den Kulturpalast entschieden. Die U-Bahn wäre eh irgendwann gekommen, aber das Zeitfenster für so ein Monument doch wahrlich begrenzt.
Die U-Bahn wurde dann übrigens in den 90ern gebaut und eröffnet

Mit dem Aufzug kommt man in den 30. Stock, zu der Aussichtsplattform. Von dort hat man einen Blick über die Stadt (man verzeihe mir, dass ich jetzt sage, dass man hauptsächlich Plattenbauten aus der sowjetischen Zeit sieht).




Die Warschauer Altstadt
Warschau hat eine wunderschöne Altstadt, auch wenn der Begriff "Altstadt" in diesem Fall vielleicht nicht ganz zutrifft.
Die Altstadt, so wie sie heute steht, ist nämlich erst 70 Jahre alt.
Wären die Deutschen nicht, würde die Warschauer Altstadt heute anders aussehen. Aus dem Geschichtsunterricht wissen wir, dass Deutschland im zweiten Weltkrieg Polen schwer bombardiert hat. Sehr schwer. Warschau sollte fallen und ist auch fast komplett platt gemacht worden von den Deutschen.
Es ist mir selten wirklich unangenehm Deutsche zu sein, aber in diesem Fall ist war mir doch ein wenig. Noch schlimmer war es im Warschauer Ghetto. 

Fast ganz Warschau war nach dem 2. Weltkrieg zerstört, darunter eben auch die Altstadt. Anhand von alten Gemälden und Kupferstichen wurde die Altstadt nach dem 2. Weltkrieg wieder errichtet. 
Dementsprechend "neu" sieht die Altstadt noch aus. 















Stadtteil Praga
Im Warschauer Stadtteil Praga kann man eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit unternehmen. Man landet irgendwann zwischen Weltkrieg und Sowjetunion.
Im Vergleich zur Altstadt, sind diese Häuser nämlich nicht im Krieg zerstört worden. Irgendwie scheint die Zeit in Praga stehen geblieben zu sein.
Leider nagt hier deutlich der Zahn der Zeit an den Gebäuden und so sind manche Häuser dem Verfall ausgeliefert. 

Hier gibt es auch einen Bazar der traditionelle Waren verkauft. Hier scheinen die allgemeinen Gesetze des Kapitalismus auch noch nicht angekommen zu sein. Nicht jede Bude hat jeden Tag auf. 
Dieser Stadtteil ist definitiv einen Besuch wert durch seinen eigenen Charme.



Warschauer Ghetto
Wohl eines der dunkelsten Kapitel der deutsch- polnischen Geschichte...
Von vorne weg: vom damaligen Ghetto ist nicht mehr viel übrig. Die alten Wohnhäuser wurden abgebrannt oder abgerissen, die damalige Mauer ist nur noch in Bruchstücken übrig. Auf dem damaligen Umschlagplatz, an dem die Hinrichtungen und Deportationen stattfanden, steht heute das Museum für polnische Juden und das Denkmal vor dem Willy Brand damals niederkniete (dieser Platz heißt übrigens inzwischen auch "Willy-Brandt- Platz"). Auch das Pawiak- Gefängnis steht noch und beherbergt heute ein Museum.
Ansonsten erinnern nur noch kleine Gedenktafeln an manchen Wohnhäusern an diese schlimme Zeit.
Ohne dass ich sofort gemerkt habe, hat es mich doch irgendwie mitgenommen, mich zum nachdenken angeregt. Haben wir daraus gelernt? Ich hoffe es sehr...

Auf dem Willy- Brandt- Platz herrscht doch eine besondere Stimmung.








Grabmal eines unbekannten Soldaten
Dieses Grabmal steht für alle Soldaten, die in den Kriegen für Polen gefallen sind und nicht namentlich erwähnt werden. 
Dieses Grabmal steht beim ehemaligen sächsischen Palais. Leider ist nur noch der Säulengang des sächsischen Palais übrig. Der Rest wurde, wie restliche große Teile der Stadt, im zweiten Weltkrieg von den Deutschen zerstört. 
Die beiden Herren, die neben dieser ewigen Flamme, Ehrenwache halten, haben übrigens meinen vollen Respekt: bei eisigem Wind und klirrender Kälte, stehen sie regungslos da. Und das für Stunden.



Von allen Städten, die ich bis jetzt besucht habe, ist Warschau sicherlich nicht die schönste. Dafür gibt es zu viele Plattenbauten. Dafür ist die Stadt zu grau.
ABER: für Geschichtsinteressierte hat die Stadt viel zu bieten, es gibt auch gute Shoppingmöglichkeiten (z.B. das Einkaufszentrum "Zlote Tarasy") und auch nette Restaurants.
Man kann in Warschau ein paar sehr schöne Tage verbringen, im Winter sollte man allerdings wirklich warme Sachen einpacken. Wir hatten durchgehend mindestens -2 Grad und ich habe selten so stark gefroren.
Denn, was man auf den Bildern leider nicht sehen kann: es war kalt; SEHR KALT.
In vielen Punkten ist Warschau günstiger als deutsche Großstädte, trotzdem sollte man nicht unterschätzen, wie viel man in Warschau ausgeben kann ;)
Zum Schluss noch ein kleiner Tipp von mir:
Möchte man vom Flughafen ein Taxi in die Stadt nehmen, nehmt ein registriertes Taxi. Lasst euch nicht von "Taxifahrern" direkt vor dem Flughafen anquatschen. Bei denen zahlt ihr das Doppelte des üblichen Preises und es gibt auch kein Taxameter. Bei registrierten Taxen steht der Preis außen auf dem Taxi drauf. 

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